Von Anina Schaller, Klasse 4d1
Der wohl aussergewöhnlichste Matura-Sommer in der Geschichte Freiburgs geht bald zu Ende - und wird so schnell nicht in Vergessenheit geraten. Ein Essay über meine letzten Monate als Gymnasiastin, geprägt von Fernunterricht, Prüfungsabsagen und grosser Verwirrung. Ich werde die Stimmung am Kollegium in diesen frischen Märztagen wohl nie mehr vergessen. Einige Schüler klatschten sich ab und freuten sich auf die Corona-Zwangsferien, andere wirkten verunsichert. Aber eines war es für alle: neu. Auch ich war etwas irritiert. Ist das wirklich nötig? Wie soll denn dieser «Fernunterricht» überhaupt funktionieren? Viele Fragen stellten sich mir sofort, welche mir aber niemand beantworten konnte. Denn die Corona-Krise bot für niemanden Antworten, sie liess uns alle vorerst ratlos. Aufstehen, Schulsachen hervornehmen, ans Pult sitzen, Laptop aufstarten; so sahen die letzten Schulwochen meiner Collège-Karriere aus. Es wurde die selbe Arbeitsdisziplin von uns verlangt, wie wir sie vom normalen Schulalltag gewohnt waren. Wir mussten trotz einer komplett ungewohnten Situation am Ball bleiben und stets versuchen, das Beste aus der Situation zu machen. Zusammen am Mittag in der Bibliothek für eine Prüfung lernen, gab es nicht mehr, Besprechungen waren nur noch auf digitalem Wege möglich. War eine Aufgabe im Mathematik-Dossier unlösbar, konnte man nicht einfach schnell am nächsten Tag in der Lektion fragen. Hatte man einen Auftrag nicht richtig verstanden, konnte man nicht einfach die Hand heben und eine rasche Erklärung vom Lehrer einholen. Anfänglich hatte ich grosse Mühe, die Situation zu akzeptieren und mich ihr voll zu fügen. Schnell wurde mir aber bewusst, dass es unzählige andere viel schlimmer traf als mich und mit den Wochen, die verstrichen, wurde das «Homeoffice» zur Gewohnheit. Durch die technischen Mittel, auf welche wir zurückgreifen konnten, war das Absolvieren von Aufträgen und Projekten erstaunlich einfach und eine ansehnliche Weiterführung des Unterrichts war tatsächlich möglich. Trotz diesen Mitteln sind mehrere Monate Fernunterricht ermüdend und ich wünschte mir das (sonst oft verfluchte) Klassenzimmer zurück. Mir haben das gemeinsame Austauschen mit den Kollegen am Mittag, den direkten Kontakt mit den Lehrern bei Fragen und Problemen und die «Schulatmosphäre» sehr gefehlt. Als mich die Nachricht der Schliessung der Freiburger Schulen Mitte März erreichte, habe ich mir nicht im geringsten vorstellen können, was noch alles auf uns zukommen wird. Ich war überzeugt, im Mai wieder auf dem Collège-Platz mit meinen Klassenkameraden zu Mittag zu essen und der Gedanke, dass die Maturaprüfungen abgesagt werden könnten, fand sich nicht einmal in meinen wildesten Phantasien. Aber mit immer weiter ansteigenden Ansteckungszahlen und unzähligen Schutzkonzepten wurde mir irgendwann bewusst, dass es durchaus möglich sein könnte, dass 2020 tatsächlich keine Maturaprüfungen im Kanton Freiburg stattfinden werden. Und seit das Stichwort «Absage» das erste Mal fiel, wurden auch die ersten Petitionen eingeleitet und die Diskussionen erhitzten sich. Viele machten sich stark und versuchten auf verschiedene Wege für eine faire Lösung zu sorgen. Leider ging es aber dann lange, bis wir Gewissheit hatten, was nun mit unserer Matura passiert. Bekommen wir sie überhaupt? Müssen wir alle noch ein Jahr zur Schule? Oh Gott! Horrorszenarien füllten wochenlang die Klassenchats der Gymnasiasten und Gymnasiastinnen. Trotzdem war allen bewusst: Falls die Prüfungen wirklich stattfinden würden, müssten wir jetzt eigentlich anfangen den Stoff zu repetieren, oder? Aber lernen Sie mal ein 20-seitiges Theoriedossier über die Integralrechnung auswendig, wenn auch nur eine hauchdünne Chance besteht, dass dieses Wissen an keiner Abschlussprüfung von Ihnen verlangt wird! Die Ungewissheit belastete mich zunehmend und dazu kam, dass sich langsam auch private Pläne in Luft aufzulösen schienen. Mein bereits gebuchter Sprachaufenthalt im September verwandelte sich in ein Ding der Unmöglichkeit. Panik bei allen, die auf ein Selbstfindungsjahr in Australien gehofft hatten. Die Fristen für viele Universitäten und Hochschulen waren abgelaufen und die Praktikumsstellen wurden knapper. Und dann ein weiterer Schock: Absage des Valete, des Festivalsommers und der Diplomfeier in grossem Stil. Was nun? Wahrscheinlich jeder hat sich im Verlauf seiner Collègekarriere einmal vorgestellt, wie er an einem sonnigen Junitag über ein kleines Treppchen auf ein Podium steigt und sein offizielles Matura-Diplom entgegennimmt. Schon vor Monaten stellte ich erste Recherchen zum perfekten Abschlussballkleid an – alles vergebens. Am 4. Mai dann der offizielle Entscheid: Keine Maturaprüfungen. Im ersten Moment verspürte ich natürlich Freude und Erleichterung; nach all diesem Hin und Her endlich die Entscheidung. Party-Symbole und klirrende Biergläser stiegen auf den ersten Platz der am häufigsten verwendeten Emojis von Gymnasiaste. Auch ich schloss mich den anderen an und fühlte, wie eine Last von meinen Schultern fiel. Aber auf einmal realisierte ich, dass das Collège ja nun vom einen auf den anderen Moment einfach fertig ist. Kein Präsenzunterricht mehr. Sommerferien. Was fängt man mit dieser Information an, wenn man sich eigentlich auf eine stressige Prüfungsphase vorbereitet hat? Plötzlich realisiert man, dass man die letzten Schulwochen mit seinen Klassenmitgliedern gar nicht richtig genossen hat. Die Verabschiedungen der Lehrer fanden alle auf Zoom statt und glauben Sie mir, es ist nicht das Gleiche. Klar, ein immenser Stressfaktor fällt einfach so von einem ab. Wer hat schon nicht auf den Moment gewartet, in dem er das Formelbuch in einer Kiste in der hintersten Ecke des Kellers verschwinden lassen kann? Dennoch wurde mir auf einmal bewusst, dass die nächsten grossen Prüfungen erst in unserer weiterführenden Ausbildungen sein werden und uns die Erfahrungen der Maturaprüfungen dort vielleicht geholfen hätten. Alles in allem zusammengefasst, hätte ich mir persönlich einfach einen ganz normalen Abschluss gewünscht, frei von all dem Hin und Her und mit tollen letzten Schulwochen mit der Klasse. Mit einem Abschlussball, von welchem man noch in 20 Jahren sprechen würde und einer Diplomfeier, bei der ich von der Bühne aus in die stolzen Gesichter meiner Eltern hätte schauen können. Reflektiere ich jetzt die ziemlich aufreibenden vergangenen Monate, merke ich, dass sich in meinem Denken in gewisser Hinsicht etwas geändert hat. Wir haben gelernt, extrem schnell umzudenken und uns anzupassen. Wir haben versucht das Positive an der Quarantäne zu sehen, die Zeit mit der Familie genossen oder ein neues Hobby entdeckt. Wir haben festgestellt, dass sich im Leben nicht alles planen lässt, es aber immer irgendeine Lösung gibt. Mit diesem Wissen haben wir alle ein grosses Stück an Lebenserfahrung gewonnen, was uns in unserer Zukunft nützlich werden könnte, auch wenn wir für immer die «Corona-Maturanden» bleiben werden. |
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Dezember 2022
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