Der (letzte?) Zig-Blog-Beitrag von Katarina Bekaj und Carla Sabato ist gleichsam Rückblick und Ausblick: Auf ein gutes und ereignisreiches Schuljahr mit dem Zig-Projekt, auf einen flotten Schulschluss und auf die kommenden Ferien. Die ValetwandlungAls Carla und Katarina eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachten, fanden sie sich in ihren Betten zu ungeheurem Ungeziefer verwandelt. Ein Text von Carla Sabato und Katarina Bekaj.
Definition von Ungeziefer: Ursprünglich Mensch, durch die Geschehnisse des Vorabends – in diesem Fall war es das altbekannte Valété – zu einer Art Unmensch verwandelt. Die Symptome lassen sich hervorragend an meinem eigenen Beispiel erklären: ein pochender Kopf, schwere Augenlieder, dehydrierter Körper und staubtrockener Mund, komisch riechende Kleidung – des Vorabends wegen – und zu diesem Zustand gehört DIE Herkulesaufgabe. Sie ist schwieriger als alles bisher Gesehene. All die zu Beginn als unmöglich erscheinenden Maturaprüfungen sind eine Leichtigkeit dagegen. Nun ja, die Aufgabe lautet: Rekonstruiere den gestrigen Valété-Abend! Leichter gesagt als getan, wenn man doch bedenkt, wie viele wertvolle Hirnzellen durch den Verwandlungstrank, auch bekannt als Alkohol, zerstört wurden. Ich erinnere mich, das Gelände des Collège St. Michel betreten zu haben, in Begleitung einiger Kolleginnen und Kollegen, die sich ihrerseits ein, zwei Schlückchen Alkohol gegönnt hatten. Wohl verdient, versteht sich, denn immerhin ist für uns eine Ära zu Ende gegangen. Jeder und jede von uns spürte in diesem Moment die Magie des St.Michel – oder wir bildeten es uns zumindest ein. Denn der Platz war erleuchtet in blau-violettem Licht, ein kühler Wind wehte, sehr erwünscht, in dieser warmen Sommernacht, und das matte Licht der Sterne bahnte sich seinen Weg bis auf die Köpfe der tanzenden Jugendlichen. Dieser Zauber schien auch die Erwachsenen verführt zu haben, denn wir erblickten unseren Deutschlehrer, steuerten lachend auf ihn zu und die Blüte der Jugend triumphierte über jedes spiessig-erwachsene Verhalten, das man manchmal vor den Lehrern aufweist. Naja, das ist jetzt sehr anständig ausgedrückt. Man könnte auch sagen, die Verwandlung war in vollem Gange, denn plötzlich werden die Gespräche mit dem Lehrer äusserst amüsant und anregend, gegenseitige Geheimnisse und Beichten lassen die vier vergangenen Jahre noch gelungener und kurioser erscheinen. Das ging so weiter, bis die Polizei uns samt unseren Lehrer vom Gelände trieb – von wegen Freund und Helfer. Aber in diesem Moment konnte ich sie um Himmels Willen nicht ernst nehmen. Wie sie da versuchten die träumerisch alberne Menge Jugendlicher vom St. Michel-Platz wegzudrängen, erschien mir lächerlich. Wir blieben der noch jungen Nacht treu und die Reise ging weiter in einen, ich nenne ihn mal „geheimen“ Garten in der Nähe des Kollegiums. Und nun..? Da scheint sogar die Empirie zu versagen, denn was dient mir die Lehre von Erkenntnis durch Erfahrung, wenn ich mich nicht mehr an die Erfahrung erinnern kann? Das Dilemma schlechthin. Doch glücklicherweise sind einige, zwar unfertige, Bruchstücke des Erlebten im „geheimen Garten“ präsent. Die Nacht war zu dunkel und das kontrastschaffende Licht fehlte, so nahm ich still nur die Umrisse von Blumen, Sträuchern und Bäumen, wie auch die der fernen Gebäude der wunderschönen Stadt wahr…Das Zauberhafte schien nie zu verfliegen. Wäre ich doch nur sparsamer mit dem Whiskey umgegangen, dann könne ich noch mehr von der Valété-Nacht erzählen…nun, vielleicht hat Carla ja eine vollständigere Version vorzuweisen? Ja, also, unser Grüppchen hatte bereits etwas benebelte Probleme die Veranstaltung des Valété überhaupt zu erreichen. Nach diversen Eintrittskarten- Geldautomaten- Getränken- und Toiletteneskapaden hatten wir einen ganz schön weiten Weg, bis wir endlich das Gelände des St. Michel betreten konnten. Als wir dann schliesslich in der brodelnden Menge von Maturanden und ohrenbetäubender Musik ankamen, fanden wir uns plötzlich auf dem Boden sitzend und über psychologisch-philosophische Themen diskutierend wieder. Wie genau dieses Gespräch zustande kam, ist mir schleierhaft... Das war wohl die besagte Magie des Valété – oder auch etwas anderes, beginnend mit A. Jedenfalls waren wir uns einig, dass das menschliche Gehirn ungeahnte Tiefen besitzt, und dass wir die Echtheit naturwissenschaftlicher Forschungen grundsätzlich anzweifelten. Unsere Philosophielehrerin wäre stolz auf uns gewesen. Apropos Lehrer: Liebe Katarina, auch wir hatten einen kleinen Zwischenfall mit einem Lehrer. Unser Gespräch wurde plötzlich unterbrochen, als jemand lautstark kundtat, dass sich unsere Klassenlehrerin Gitarre spielend auf der Bühne befinden würde! Begeisternd johlend und hüpfend wie Teenager-Groupies stürmten wir also zur Bühne und mussten einsehen, dass unsere vermeintliche Klassenlehrerin ein (mit Ohrringen und Sonnenbrille!) verkleideter Mann war. Ups, das vergessen wir vielleicht wieder. Aber der springende Punkt des Abends kommt eigentlich noch. Sie müssen wissen, in den vier Jahren meiner Geschichte des Valété, werde ich von einer Art Fluch verfolgt. An den erinnere ich mich IMMER, egal in welchem Zustand. Es gibt da nämlich diesen einen Bekannten aus der Sekundarschule, nennen wir ihn Mister V. Er hat keinerlei Verbindungen zu einem Gymnasium, meines Wissens arbeitet er sogar nicht einmal im selben Kanton. Jedenfalls treffe ich ihn nie. Ausser am Valété. Jedes Jahr. Jedes Mal sticht er mir aus der Menge ins Auge, als würde er höchstpersönlich von einem Scheinwerfer angestrahlt. Auch dieses letzte Mal hoffte ich insgeheim, ihn wieder zu treffen. Leider falsch gehofft. Er war nirgends. Der weitere Abend verschwamm in einer Art Strudel aus Lichtern, Gesichtern und Musik. Während ich dann irgendwann mal im Verlaufe des Geschehens den Heimweg antrat und schon leicht schlafend den Bahnsteig entlang schlurfte, wurde ich plötzlich von einem ungeheuren Licht geblendet. Was das war? Na, dieser Scheinwerfer. Mit Mister V. Lieber Leser, ich kann Sie übrigens beruhigen. Alle beide, Katarina und Carla sind keine Ungeziefer mehr. Die Verwandlung war binnen eines Tages (mit dem Insektizid Kaffee) wieder reversibel. Und wir haben hoffentlich auch nicht derartig mieses Karma in dieser einen Nacht angesammelt, dass wir uns in unserem nächsten Leben als Kellerasseln in Indien wiederfinden. Die durchgemachte Verwandlung ist vielmehr ein Pflichtprogramm im Leben eines Maturanden des Collège St. Michel. Sie zeigt an, dass wir nun geläutert, erwachsen geworden (?) und bereit für jede Aufgabe sind, die uns das Leben zu stellen vermag. Sodass wir diese Schule getrost verlassen können. Das mal seriös ausgedrückt. Oder sie zeigt einfach, dass wir nun, nach vier Jahren harter Arbeit, einfach mal die Füsse baumeln lassen und das Leben so richtig geniessen können. Ohne Rücksicht auf Verluste. Die Freiburger Nachrichten gratulieren den ZiG-Bloggern Katarina Bekaj, Carla Sabato, Sandro Stucki, Jonathan Progin und Jessica Wyss ganz herzlich zum bestandenen Maturaabschluss. Quelle: http://www.freiburger-nachrichten.ch/blogs/zig-blog/die-valetwandlung
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Dezember 2022
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